Marcela Falahati, verrätst du uns etwas über die Tools und Tricks der Recruiter*innen?

Shownotes

In dieser Folge sprechen wir mit unserem Gast Marcela Falahati über das Thema Recruiting und Personalwirtschaft. Dabei gibt uns Marcela Einblicke in die Arbeitsweise von Recruitern und Recruiterinnen, sie erklärt uns welche Technologien in Bewerbungsgesprächen unterstützen könnten und warum sie dennoch nicht oder kaum zum Einsatz kommen. Gastgeber Michael hat dabei auch die ein oder andere Überraschung für Marcela auf Lager. Viel Spaß beim Hören.

Über unseren Gast Marcela Falahati

Marcela Falahati ist Bereichsleiterin der SAP SuccessFactors bei der valantic people GmbH. Als Expertin für HR-Cloud beschäftigt sie sich nicht nur mit der Implementierung von SAP SuccessFactors, sondern auch mit der Nachhaltigkeit von Systemen im Rahmen von Application Management Services. Zu ihren Kunden zählen diverse mittelständische Unternehmen und Großkonzerne in unterschiedlichen Branchen. Nach einem Bachelor in Wirtschaftspsychologie (B.A.) absolvierte sie einen Masterabschluss in Wirtschaftsinformatik (M.Sc.).

Über den Gastgeber Michael Kurzidim

Michael Kurzidim ist seit 25 Jahren in der Kommunikationsbranche tätig, als Journalist, Moderator, Reporter und Redakteur. Die Digitalisierung mit ihren vielfältigen Facetten wie Künstliche Intelligenz, Automatisierung und Vernetzung hält er für eines der wichtigsten Zukunftsthemen für Deutschland, Europa und der Welt. Sie wird die Art und Weise unseres Wirtschaftens, Arbeitens und Lebens entscheidend verändern. Als Gastgeber des valantic Podcasts Digital Now! diskutiert er mit Wirtschaftsführern, Influencern und Experten über das, was Sie heute wissen müssen und was morgen über Erfolg, Umsatz und Gewinn entscheidet.

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Produktion: Heike Hunsmann Redaktion: Heike Hunsmann, Michael Kurzidim

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00:01:00: Marcela, herzlich willkommen und vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, mit uns über dieses spannende Thema zu sprechen. Du bist Head of SAP Success Factors bei valantic und kennst dich mit HR- und Recruiting-Themen bestens aus. Und du berätst Unternehmen in Sachen Recruiting mit SAP. Was ist für dich persönlich das Spannende an der HR-Arbeit und am Recruiting? Warum bist du in diesen Bereich gegangen?

Marcela Falahati: Hallo Michael, erstmal vielen Dank, dass ich dabei sein darf. Tatsächlich war das Thema HR-Arbeit und Recruiting bei mir eine ganz bewusste Entscheidung. Nach der Schule habe ich direkt an das Thema Psychologie gedacht, wusste aber auch, dass im Bereich Psychologie vielleicht das eine oder andere recht weit weg ist von dem Alltag der Menschen. Und als ich damals darüber nachgedacht habe, womit ich mich beschäftigen möchte, habe ich gemerkt, ich möchte eigentlich da sein, wo Menschen den ganzen Tag über sind und ihre Zeit verbringen. Und die meiste Zeit und Energie geht nun mal in die Arbeitsstelle. So habe ich gedacht, wenn hier jemand acht Stunden am Tag die Zeit verbringt oder länger, dann möchte ich irgendwie das Gefühl haben, etwas bewegen zu können und dicht an den Menschen dran zu sein. Und so habe ich mich dann eigentlich sehr, sehr bewusst und ganz schnell schon für das Thema HR entschieden. Bin dann aber von dem Thema Recruiting aus immer auch mal wieder über den Themen HR und Personalentwicklung gekreist. Aber die Liebe fürs Recruiting ganz am Anfang, die ist mir immer geblieben.

00:02:35: Das stelle ich mir ganz schön schwierig vor. Da geht es ja auf der einen Seite um das Fachliche, auf der anderen Seite um das Menschliche und die Soft Skills. Was ist da heute State of the Art im Recruiting und in der HR?

Marcela Falahati: Es gibt sicherlich einen sehr, sehr großen Diskurs um das Thema. Wenn sich für den Fachbereich die Herausforderung stellt „wen suche ich im Team?“ muss ich ja erst mal im HR-Bereich ein gutes Briefing haben – mit den Führungskräften, den Teamleitern, den Managern aus den jeweiligen Positionen. State oft the Art ist sicherlich, dass dieses Briefing immer wichtiger wird um da schon herauszufinden – von den Führungskräften einzufordern – um was genau geht es eigentlich in diesem Job? Denn auch Recruiter sind in so vielen Bereichen unterwegs, dass es sehr wohl ein Unterschied macht suche ich jetzt jemanden fürs Marketing, suche ich jemanden für eine IT-Stelle, Beratung oder Entwickler? Und dementsprechend ist dieses Briefing ganz wichtig geworden und gibt auch schon den Recruitern die ersten Anhaltspunkte oder die ersten Ideen.

00:03:39: Wie findet ihr eigentlich heraus, ob die Kandidatin oder der Kandidat in die Firmenkultur passt oder ins Team?

Marcela Falahati: Natürlich wird im Bereich Recruiting immer mehr darauf gesetzt, das Team zu beobachten. Ich versuche zu beschreiben, welche Fähigkeiten, Eigenschaften, welche Charaktereigenschaften jemand haben muss, um in genau dieses Team zu passen und überdies auch in die Firma. Denn man darf nicht vergessen, nur weil jemand vielleicht von der Einstellung her in ein Unternehmen passt, heißt es ja noch lange nicht, dass man in einem ganz speziellen Team, das sich meistens auch stark findet und vielleicht ähnliche Personen anspricht, passt. Also im Marketing zum Beispiel suchen wir ganz andere Eigenschaften. Vielleicht bin ich da eher extrovertiert im Vergleich zu – sehr konträr – jemandem aus dem Bereich der IT-Entwicklung. Denn das sind vielleicht eher zurückgezogenere oder introvertierte Teams. Und da rauszufinden, welche Charaktereigenschaften es braucht, ist gar nicht so einfach. Und als Trend merken wir schon, dass deswegen die Recruiter auch proaktiver Mitarbeiter ansprechen. Zum Beispiel auch in ähnlichen Unternehmen in so einem Active Sourcing Modell. Das heißt, Recruiter sprechen proaktiv Kandidaten aus Netzwerken an. Es geht mehr über Empfehlungen. Wenn ich weiß, dass ein Team-Mitarbeiter einen ehemaligen Kollegen empfiehlt, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass der auch gut ins Team passt. Und da ist es natürlich ein doppelter Boden für Recruiter zu wissen, der eine im Team empfiehlt ihn schon mal, es würde also gut passen. Das kann die Kandidaten gut einschätzen. Aber es ist wirklich nicht einfach. Und auch die Frage „Helfen dann analytische Tests?“

00:05:16: Setzt er die ein? Solche Tests.

Marcela Falahati: Ist es immer mehr im Kommen, aber es stellt sich sicherlich immer die Frage „Passt das zu dem Unternehmen?“ Und vor allen Dingen passt es zu Deutschland? Und wenn man sich das dann anschaut, mit der Frage nach analytischen Tests… hmmm. Ich muss mir ja immer erst mal die Datenschutzeinwilligung einholen von dem jeweiligen Kandidaten. Und dann kommt auch gleich die Frage auf: was mache ich eigentlich mit diesen Ergebnissen? Wie gehe ich als Unternehmen damit um, wenn jemand so oder so abschließt?

00:05:45: Ist es denn hilfreich für eure Arbeit, wenn sich ein Kandidat oder eine Kandidatin bereiterklärt den Test zu machen? Und irgendwas kommt dann dabei heraus.

Marcela Falahati: Hilft das? Sicherlich gibt das Anhaltspunkte für gewisse Trends oder für Neigungen oder wie würde jemand in einer Situation reagieren. Trotzdem darf man natürlich unter einem psychologischen Aspekt nicht vergessen, dass Kandidaten so antworten, wie sie denken, dass es in dieser Situation richtig ist, zu antworten. Das heißt, die Einschätzung, wie Kandidaten sich zu verhalten haben, ist ein ganz wichtiger Punkt. Denn das zeigt, wie Kandidaten in so einer Situation denken, sie müssten reagieren. Und wenn das der richtige Anhaltspunkt ist, ist das super. Wenn das aber zum Beispiel Richtung analytische oder verbale Skills geht, also wie drückt sich jemand aus, wie analytisch denkt jemand, dann wird es ein bisschen schwieriger.

00:06:44: Da gibt es ja solche Kontrollfragen. Also wenn jemand eine Antwort gefaked hat, dann kommt eine Kontrollfrage und ihr, die ihr diese Testergebnisse auswertet, sehen dann aha, da hat der oder die einfach so geantwortet, wie er oder sie es für richtig gehalten hat. Aber das stimmt eigentlich gar nicht so richtig.

Marcela Falahati: Aber eigentlich ist es gar nicht so verkehrt. Es geht nicht immer darum zu sagen, es geht um richtig oder falsch. Sondern ganz spannend ist doch eigentlich, dass wenn ich einen Kandidaten um eine Konfliktsituation frage und der Kandidat sagt dann am Ende ja. Die erste spontane Reaktion ist Ich gehe offen damit um, sprich mein Gegenüber darauf an und suche das Gespräch, dann ist das vielleicht in der Konfliktsituation genau das, was man hören wollen würde. Ob der Kandidat das am Ende wirklich so macht, das weiß man nicht. Aber was man weiß – und das ist ein wichtiger Hinweis – dass der Kandidat weiß, wie man im Allgemeinen damit umzugehen hätte. Und das hilft einem doch auch schon: Zu wissen, im Zweifelsfall weiß es der Kandidat schon. Er weiß, er müsste auf die Kollegen zugehen, müsste offen umgehen. Das heißt, es geht nicht immer darum zu sagen, es ist die einzige richtige oder falsche Antwort, sondern in welche Richtung denkt denn der Kandidat? Und es hilft schon zu sehen: Er weiß, wie man in solchen sozialen Geflechten damit umzugehen hat.

00:08:06: Nun ist Recruiting ja ein recht komplexer Prozess und eine der populären und sehr gebräuchlichen HR- und Recruiting-Anwendungen und -Lösungen ist SAP Sucess Factors. Wie ist diese sehr gebräuchliche und populäre Lösung aufgebaut?

Marcela Falahati: Also im Prinzip gibt es drei größere Bestandteile von dem Recruiting-Modul von SAP Success Factors. Die unterscheiden sich eigentlich mehr oder weniger in der Perspektive. Das erste Modul ist hauptsächlich dafür gedacht, Kandidaten zu verwalten. Also ab dem Zeitpunkt einer Bewerbung schaue ich als Führungskraft oder als Recruiter auf die Kandidaten und leite sie durch den Prozess. Das zweite Modul ist ein proaktives Tool, was die Karriere Seite gestaltet. Dabei kann ich also alles rund ums Thema Stellenausschreibung Webseiten im Corporate Design anbieten, sodass ich darüber proaktiv auch Kampagnen schalten kann und Bewerber auf diese Stellenausschreibungen aufmerksam machen kann. Und das dritte Modul ist dann das Recruiting-Posting, das dann die Stellenausschreibungen, die ich gerade erstellt habe und auf der Webseite veröffentlicht habe, dann auch an ganz große bekannte namenhafte Stellenbörsen ausschreiben kann oder durchhalten kann. Aber an sich ist es so, dass alle diese drei Teile Hand in Hand gehen und dementsprechend auch zum Beispiel diese Funktionalitäten für den gesamten Recruiting-Prozess zusammen genutzt werden. Es ist eigentlich nicht so, dass man sagt, man entscheidet sich nur für eines der Tools, sondern die drei Bestandteile gehören eigentlich Hand in Hand.

00:09:54: Also kann man sagen, diese drei Bestandteile decken die Kernaufgaben des Recruiting ab und die braucht man eigentlich. Und wer dann noch weiteren Service will, der bucht dann dazu. Ist das so richtig?

Marcela Falahati: Eigentlich hat man damit schon alle weiteren Services. Da gibt sicherlich an der einen oder anderen Stelle am Markt, die sich auf einzelne Bestandteile fokussiert haben, zum Beispiel in dem Bereich Mitarbeiterempfehlungen. Dass es da noch mal Anreize gibt, Preise gibt, die man gewinnen kann für Bewerber, die man als Mitarbeiter beworben hat. So was gibt es dann schon. Aber an sich ist die Recruiting-Lösung von SAP so umfangreich, dass es kaum etwas gibt, was man additional dazu buchen muss. Also sehr sehr unüblich, dass man da noch mal was Weiteres braucht.

00:10:47: Gibt es noch andere HR Tools, die ähnlich umfangreich sind, die eine Alternative für Sicherheitsfaktor sind, von denen sich SAP vielleicht sogar eine Scheibe abschneiden könnte?

Marcela Falahati: Also das, was ich gerade schon mal angesprochen hatte, mit diesem Mitarbeiterempfehlungsprogramm. Wenn die verschiedenen Startups einen Trend erkennen, können sie viel schneller auf sowas reagieren. Das heißt, es gibt natürlich einzelne Recruiting-Produkte, die vielleicht auch nur Recruiting anbieten und darin sensationell alles abbilden. Jeden neuen Trend mal ausprobieren und gucken, ob das ankommt. Und das merkt natürlich, was am Markt passiert. Merkt auch, was andere Anbieter anbieten. Und daraufhin orientiert sich auch immer wieder die Weiterentwicklung. Neben den länderspezifischen Anforderungen, die Unternehmen haben. Ich habe unterschiedliche Anforderungen aus Deutschland, Österreich und China. Dann muss ich natürlich als HR-Software darauf reagieren können. Je kleiner ich als Unternehmen bin, desto schneller kann ich darauf reagieren, kann etwas ausprobieren. Und wenn der Trend am Ende sich nicht durchsetzt, dann habe ich damit nichts verloren. SAP Sucess Factors wiederum ist ein sehr, sehr großes Tool, was auch eine starke Integration zu anderen HR-Prozessen hat. Und dadurch ist es sicherlich so, dass die Spontanität an der einen oder anderen Stelle untergeht, weil ja immer noch bedacht werden muss, wie das ganze dann in andere Prozesse, zum Beispiel den Onboarding-Prozess oder die Budgetierung von Planstellen, wie das dann zusammen gehen muss. Und deswegen wünsche ich mir da schon manchmal an der einen oder anderen Stelle, dass es leichter geht, schneller geht.

00:12:29: Die jungen Topleute, die top qualifizierte junge Generation ist heute in einer super Situation. Sie können sich ja eigentlich die Stellen aussuchen und Unternehmen müssen sich so richtig Mühe geben, um gute Nachwuchstalente von sich zu überzeugen. Was können denn Unternehmen tun, um junge Topleute, die vielleicht auf ganz andere Sachen Wert legen als noch vor zehn oder 15, was können die tun, um die jungen Leute von sich zu begeistern?

Marcela Falahati: Also es geht definitiv um das Thema „wie kann ich mich im Unternehmen einbringen?“ Das heißt, als Unternehmen ist es wichtig, Raum für Selbstverwirklichung zu schaffen, Raum für Mitsprache, Raum für eigene Ideen. Und das ist gar nicht so einfach. Denn je mehr Ideen zusammenkommen, desto schwieriger wird es, all diesen Ideen Raum, Platz, Verwirklichung oder auch schlussendlich Geld zur Verfügung zu stellen. Dass auch jeder sich da wohlfühlt, sich einbringen kann und auch das Gefühl hat, wenn ich eine Idee habe, dann wird der Idee auch nachgegangen. Und das ist sicherlich ein Trend, der jetzt bei der Generation Y oder Z immer mehr kommt. Es geht vielmehr um den Job als Bestandteil für die persönliche Weiterentwicklung. Es geht viel um Mentoring und um Weiterentwicklung der eigenen Karriere, der eigenen Persönlichkeit und Zusatzleistungen, wie du es jetzt gerade angesprochen hast. Firmenwagen ist sicherlich immer noch mal wieder so ein Thema, was dann zu einer gewissen Form zu Bequemlichkeiten oder Unterstützung der Work-Life-Balance führt. Aber es wird immer mehr eingefordert, dass ich von überall arbeiten kann, mir meine Arbeitszeiten einteilen kann, dass das Private oder die Hobbys einen Stellenwert haben können und die Arbeit in das Leben integriert ist und kein Schnitt da ist: Ich gehe jetzt zur Arbeit. Dort verdiene ich mein Geld. Hab mein Brot am Abend auf dem Tisch und lebe dann einfach weiter. Das einfach kein harter Schnitt vorliegt.

00:14:38: Ich möchte noch einmal gern auf das Thema Recruiting zurückkommen. Es kommen jetzt viele neue Technologien, wie Stimmanalyse oder eine Analyse der Mimik, während das Vorstellungsgesprächs, auf den Markt die analysieren, also anhand dessen, wie der Kandidat oder die Kandidatin irgendetwas sagt, ob das zum Beispiel wirklich so gemeint war oder ob er oder sie einfach nur sagt, weil es sich im Moment gut macht und vielleicht gar nicht so ernst meint. Ist das eine wertvolle Hilfe für HR-Abteilungen im Unternehmen oder steckt das noch in den Anfängen?

Marcela Falahati: Natürlich ist das sehr verlockend. Es ist unglaublich gut zu sehen, was da so alles passiert und wie viel auch so eine computergestützte Analyse einem helfen kann, darauf aufmerksam zu werden, vielleicht auf kleinere Details zu achten. Das ist schon extrem, und man sieht auch, wieviel Geld in diese Branche investiert wird. Gerade – wie du es gerade gesagt hast - künstliche Intelligenz, Stimmanalysen. Wahnsinn, unglaublich viel Geld wird da reingesteckt. Ganz persönlich meine Meinung. Ich glaube, dass es echt schwierig ist. Zum einen halte ich es für sehr schwierig, wenn ich Bewerberin wäre, ich hätte das Gefühl, man vertraut mir nicht, ich muss es offenlegen. Ich kann es ja nicht einfach im Hintergrund heimlich verwenden. Datenschutzrechtlich darf ich keine Software verwenden, bei dem der Kandidat nicht darüber informiert ist. Das heißt, ich muss ihn darüber informieren. Und er muss auch zustimmen, dass es für genau diese Zwecke, nämlich der Analyse, für die du gerade gesagt hast, Stimme oder Mimik, verwendet wird. Und ich persönlich fände es nicht schön, wenn man mir nicht das Vertrauen schenkt oder wenn ich das Gefühl habe, ich werde von einem Computer analysiert. Da geht es schon sehr, sehr schnell Richtung: Vertraut mir das Unternehmen nicht? Und bei dem ersten, zweiten oder vielleicht dritten Gespräch ist man doch am Anfang einer Beziehung – so frisch – da sollte man sich den Vertrauensverlust eigentlich mit Bewerbern nicht erlauben können.

00:16:46: Also würdest du zu einem sehr vorsichtigen Einsatz raten und es im Zweifelsfall nicht tun?

Marcela Falahati: Ich persönlich halte es eher für sinnvoll zu sagen, ich nutz lieber die Zeit um mehr mit Kandidaten zu sprechen, den Kandidaten gewisse Situationen zu stellen und mal zu gucken, wie reagiert er denn in dieser oder jener Situation? Halte ich für sinnvoller, als ein Tool einzusetzen. Ob jetzt die Kandidaten dann nicht eventuell auch irgendwann wissen, wie man das Tool austrickst, ist auch so eine Frage. Also gerade so dieses Thema Neurolinguistische Programmierung (NLP) ist ja auch inzwischen in fast jedem Buch zu finden, was man irgendwo am Straßenrand quasi findet.

00:17:29: Neurolinguistische Programmierung – was genau versteht man darunter?

Marcela Falahati: Darunter versteht man, dass ich durch proaktives Einsetzen meiner Gestik, Mimik, Sprache das Gegenüber zum Beispiel von Charaktereigenschaften überzeugen kann. Es wird manchmal auch verwendet Richtung Manipulation, also dass ich sagen kann, ich benutze etwas, um jemanden von etwas zu überzeugen oder jemanden positiv wie negativ in die Irre zu führen. Das heißt, mit so einer Neurolinguistischen Programmierung lernen inzwischen relativ viele in einer kleinen – ich nenn das jetzt mal Taschen-Psychologie – wie ich zu gucken habe, in welche Richtung mein Blick gehen muss, wann ich die Stimme zu heben oder zu senken habe, um dadurch mein Gegenüber von etwas zu überzeugen. Und genau das wäre ja das Problem, denn eine künstliche Intelligenz hat immer das Problem: Sie ist künstlich. Sie kann also nicht erkennen, ob jemand etwas in dem Sinne wirklich vortäuscht, ob das echt ist, ob das erlernt ist. Und je schneller die Menschen dann auf solche Trends reagieren, also zum Beispiel dann anfangen, proaktiv in so einer Frage nach oben links zu schauen oder nach oben rechts, weil man dann weiß, das Tool analysiert, ob ich eher in der Erinnerung oder in der kreativen Denkweise bin, das erkennt dann die Software nicht. Das heißt, ich muss es der Software wieder beibringen. Ich muss der Software beibringen, wenn der Kandidat nach oben links schaut, dann ist er in einer kreativen oder in einer Erinnerungs-Phase. Das ist ganz, ganz schwierig. Das heißt, ich häng immer mit der künstlichen Intelligenz hintendran. Ich muss immer erst der Software alles beibringen. Deswegen wird ja auch so viel Geld da rein investiert. Denn künstlich bedeutet es muss hergestellt werden, künstliche Intelligenz erzeugen. Ich muss es der Software beibringen und sie muss trainiert werden, immer wieder regelmäßig trainiert werden auf neue Trends, auf neue Einflüsse der Bewerber. Wenn die merken ich muss an der Stelle nur besonders laut ins Mikrofon sprechen, in meiner Videokonferenz, beim Video-Bewerbungsgespräch, dann tauche ich als, oder werde ich als resolut wahrgenommen. Irgendwann würde ja die Software anfangen und sagen „Ja, das sind aber ganz schön viele resolute und sehr dominante Bewerber dabei“. Und das muss natürlich dann auch wieder ausgeglichen werden. Das muss die Software erst wieder lernen.

00:19:56: Also gibt es denn Bewerber, die sich so detailliert auf ein Gespräch vorbereiten, also erst einmal ein Kurs in Neurolinguistischer Programmierung machen?

Marcela Falahati: So ist das natürlich nicht. Aber was ich damit meinte ist, dass sobald ich anfange, als Unternehmen, insbesondere je größer ich bin und je mehr Bewerber ich dann auch habe und bekannt wird – das steht ja dann auch sofort auf den einschlägigen Plattformen, wie zum Beispiel einem Kununu – dass in einem Recruiting-Gespräch ein Analytics- oder Analyse-Test stattfindet, oder dass man eine Postkorb-Übung machen muss oder dass z.B. eine Analyse stattfindet. Das heißt, die Bewerber tauschen sich natürlich auch darüber aus, was in dem Unternehmen passiert. Wenn das jetzt in Deutschland Fuß fassen würde, was momentan keinen Fuß fasst, wegen dem starken Datenschutz. Wenn das Fuß fassen würde, würden sich die Kandidaten darüber austauschen und sich Tipps geben, wie man am Ende am besten damit umgeht. Und damit erlischt dann eigentlich die gesamte Funktionalität davon.

00:21:03: Also was mir gerade einfällt: Wie wichtig sind denn die klassischen Kriterien wie Zeugnisse und Abschlussnote heute noch?

Marcela Falahati: Also definitiv verlieren sie weiter an Bedeutung bei den Unternehmen, die es sich nicht leisten können, Kandidaten auszuschließen aufgrund von Schulnoten oder Universitäts-Noten. Unternehmen, die mehr Auswahl haben und die sehr viele Bewerber haben, weil sie zum Beispiel einen starken Markenauftritt haben. Die können sich das natürlich absolut leisten, auch auf so etwas zu achten oder nutzen das als proaktiven Vorfilter. Dass zum Beispiel für Traineeships – also gerade für den Berufseinstieg – auch Noten als Filter genommen werden. Dass zum Beispiel nur jemand mit einem sehr guten Schulabschluss oder einem sehr guten Universitätsabschluss, also eins Komma, überhaupt zum Bewerbungsgespräch eingeladen werden. Gerade im Mittelstand und kleine Unternehmen, die können sich das definitiv nicht mehr leisten. Denn die Bewerber sind einfach sehr rar gesät und dann bekommen eher Schulpraktika, Universitätspraktika, Werkstudententätigkeiten für die Neueinsteiger definitiv die die Priorität. Die sind sehr hoch angesehen. Und es wird auch immer mehr verlangt, dass Kandidaten bei einem Berufseinstieg vorher schon Praktika gemacht haben, dass sie vorher schon mal reingeschnuppert haben und auch in das Berufsleben eingewiesen wurden. Allein so was wie Wie gehe ich mit Outlook um? Wie kommuniziere ich? DDas soziale Gefüge und die Hierarchien in einem Unternehmen kennenzulernen? Das wird meistens schon vorher erwartet. Also die praktischen Kenntnisse werden immer mehr und bekommen immer mehr Bedeutung als die tatsächlichen Schulnoten oder Universitätsabschlüsse.

00:22:53: Wenn du drei Wünsche frei hättest, was würdest du dir von einer optimalen HR- und Recruiting-Plattform wünschen?

Marcela Falahati: Interessante Frage. Genau 3? Aber ja gut, wir probieren es mal. Also Nummer eins wäre auf jeden Fall die Frage wie kann ich… also ich als Unternehmen muss mich ja immer wieder neu definieren. Ich muss gucken, wie passe ich mich an? Also Branding, Farbfelder, Bilderwelten, das ganze Marketing, was nach außen hin läuft, ist extrem wichtig für das Employer Branding, für die Arbeitgebermarke, den Aufbau einer Marke. Und dieses „immer wieder neu erfinden“ auch der Unternehmen nach außen hin ist sehr wichtig. Von daher wäre Wunsch Nummer eins mehr Flexibilität in den Softwares für solche Veränderungen. Wenn ich als Arbeitgeber auf einmal neue Ideen habe, wie ich Kandidaten ansprechen kann, sollte das so leicht wie möglich sein und auch schnell umzusetzen sein, dass man schneller darauf reagieren kann auf solche Trends. Nummer zwei wäre sicherlich, dass es noch mal im Recruiting mehr Unterschiede geben muss, wen ich anspreche. Die Kandidaten-Oberflächen sollten zielgruppengerichteter sein. Wenn ich jetzt einen Kandidaten anspreche als Berufseinsteiger, dann sollte da einfach eine andere Perspektive, ja ein anderes Bewerbungsformular notwendig sein, als vielleicht für einen Professional. Oder auch in den Branchen sollte es mehr Unterschiede geben. Es macht einen Unterschied, ob ich jemanden anspreche in einem Marketing-Job oder in einem IT-Job. Und das dritte ist was…

00:24:50: Und diese Unterschiede werden von der aktuellen Software noch nicht optimal abgebildet? Das sind doch Dinge, die man noch besser machen könnte.

Marcela Falahati: Doch, sicherlich, sie werden schon abgebildet und das merkt man auch, dass sie im Allgemeinen in allen Recruiting-Softwares immer mehr Priorität bekommen. Dennoch ist es so, dass sehr viel da zusammenkommt. Ich muss ja auch immer wieder mit dem externen Marketing sprechen auf Karriereseiten. Und wer weiß, dass man an einem offenen Herzen operiert auf einer Karriere-Seite oder an einer Unternehmens-Webseite, weiß wie schwierig es ist, da schnell mal was zu ändern. Da können so viele Fehler unterlaufen. Dann hat es ein extrem Reputationsverlust, wenn ich auf einmal keine Webseite mehr aufrufen kann oder eine Fehlermeldung kommt. Das geht nicht, dadurch verliere ich, damit mache ich mehr kaputt als ich vielleicht durch eine Flexibilität im Rebranding dann auch an Vorteilen habe. Aber es ist sicher, es wird immer mehr. Und auch dieser Zyklus, dass ich neue Sachen veröffentlichen möchte, mehr Transparenz gegenüber Kandidaten habe, auch in Social Media proaktiver bin. Dieser Trend ist definitiv immer weiter am Wachsen. Man dachte irgendwie, man hätte das schon erreicht. Aber nein, es wird immer mehr gefordert von Unternehmen, schneller darauf zu reagieren.

00:26:15: Zum Abschluss möchte ich dir mal eine dieser typischen Recruiter-Fragen stellen: Was wünschst du dir für dich persönlich? Wo siehst du dich in fünf Jahren?

Marcela Falahati: Jetzt hast du mich ein bisschen gekriegt. Ähm, okay. Also schlussendlich ich bin auch Führungskraft. Ich wünsche mir genauso, dass das, was ich aus der Kunden-Perspektive immer wieder zu hören bekomme, dass man tolle Mitarbeiter gewinnen will, das gleiche wünsche ich mir für mich und mein Team auch. Ich wünsche mir auch, dass immer mehr Kandidaten uns das Vertrauen, mir das Vertrauen schenken, dass wir ja die gleiche Richtung haben, wie man Teamarbeit leben möchte und dass es einen Unterschied macht, ob man mit mir oder mit irgendjemand anderem als Führungskraft zusammenarbeitet. Und wenn ich das am Ende erreichen kann, dass es einen Unterschied macht, ob es Marcela ist oder jemand anderes, dann glaube ich, habe ich meinen Job gut gemacht. Und das würde ich mir, dass das vielleicht in meinem kleinen Wirkungskreis mit meinem Team und mit den Kunden, die ich betreuen darf, dass das einen Unterschied macht.

00:27:25: Sehr schönes Schlusswort, Marcela. Ganz herzlichen Dank für das spannende Gespräch und die vielen spannenden Insights. Liebe Hörerinnen und Hörer, falls ihr Fragen habt, die euch unter den Nägeln brennen, schickt uns eine Mail unter podcast@valantic.com.

Kommentare (1)

Roland Czada

Sehr aufschlussreiches Interview! Was Marcela Falahati zum Einsatz Künstlicher Intelligenz bei der Personalauswahl sagt, fand ich besonders spannend. Ansonsten: Teamfähigkeit und Charaktereigenschaften stehen heutzutage offenbar ganz oben.

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